Harmonia

A Forum for and the Background of the Mediation of Dialogue in Ancient and Modern Academies

Wednesday, 13 April 2011

Tristan-und-Isolde

Tristan
…Stürb’ ich nun ihr (der Liebe),
Der so gern ich sterbe,
Wie könnte die Liebe
Mit mir sterben,
Die ewig lebende
Mit mir enden?
Doch stürbe nie seine Liebe,
Wie stürbe dann Tristan
Seiner Liebe?
Isolde
Doch unsere Liebe,
Heißt sie nicht Tristan
und – Isolde?
Dies süße Wörtlein: und,
Was es bindet,
Der Liebe Bund,
Wenn Tristan stürb’,
Zerstört’ es nicht der Tod?

Anfang April bin ich zur Oper gegangen und habe die letzte Aufführung von Tristan und Isolde an der Deutschen Oper Berlin miterlebt. Obgleich die Regie sehr kritisch beurteilt wurde, und der weltberühmte, britische Regisseur, Graham Vick, nach der Premiere sogar ausgebuht wurde, war ich begeistert, wenn auch zu Anfang zugegebenermaßen in Erstaunen versetzt. Das Theater ist mir vertrauter als die Oper. Bis jetzt habe ich die Theater-Regie eher mit der Gestaltung des Raumes verbunden und die Gestaltung der Zeit als die Aufgabe der Film-Regie betrachtet. Am 3. April wurde ich aber tiefst überrascht und sollte zum ersten mal die Sauberkeit meiner gerade erwähnten “Arbeitsverteilung” in Frage stellen: Graham Vick hat es meines Erachtens geschafft, “Zeit” auf der Bühne zu gestalten: das war menschliche Zeitlichkeit, Lebenszeit, ohne Zeitpfeil dennoch, weil der Tod sowohl rechts als auch links lag. Er hat weder gelauert; noch ist er plötzlich aufgetreten, sondern war die ganze Zeit, die durch die Musik ermessen wurde, da. Und mitten in dieser, menschlichen Zeitlichkeit klingen die Worte der zwei Liebenden, die die Präsenz von einander eine Ewigkeit lang “haben” wollen. Was für ein Besitz ist das? Was für eine Präsenz und was für eine Ewigkeit?
Sehr selten haben wir das Glück, ein klassisches Stück mitzuerleben, das auf eine ebenfalls grandiose Weise übertragen oder aufgeführt wird. Wie oft erlebt man Regisseure beim Scheitern, die großen Wert darauf gelegt haben, ihre Aufführung sehr stark auszuprägen und die geehrten Stücke zu aktualisieren!
Es ist eine unermesslich schwere Last auf den Schultern der Regisseure, ein autoritatives Kunstwerk zu interpretieren. Die interpretierende Haltung, die ich am meisten ehre, nenne ich “mimetisch”, wobei das Mimetische nicht als bloß passiv, sondern einerseits außerordentlich aufnehmend andererseits innovativ (um)gestaltend verstanden werden sollte. Nach meinen bisherigen Erfahrungen gelingt es meistens, wenn der Regisseur einen Weg entdeckt, um sich auf der Ebene des Allgemeinen zu bewegen.
Wie Graham Vick.
Bei diesem Tristan habe ich am seltenen Glück einer solchen “mimetischen Aneignung” teilgenommen.
P.S.: Es gab gewisse Momente bei der Regie, die ich nicht vertragen konnte und hier auf sich beruhen lasse, weil die Errungenschaft von keinem negativen Detail überschattet werden darf oder kann.

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1 Comments:

Blogger oliver.goers said...

nur wenige zeilen:

die gestaltung der zeit scheint mir ja gerade wagnerimanent zu sein, das meint gerade das vergehen der zeit ist auch ein mitakteur im kunstwerk wagners. nur dadurch das diese vergeht kommt es zum ziel, kommt es zur entscheidung, ob dieses nun ein liebestod, eine götterdämmerung oder die unselige frage elsa nach namen und herkunft lohengrins ist.

- "der anfang lieget stets beim ende. kaum bricht der lichte tag hervor, so zieht die nacht den braunen flor den heitern lüften an; sie nimmt den schatten in die hände, der auch sogar den mittag selbst verdunkeln kann, und kehrt das licht in finsternis. Ach, braucht den tag! die nacht folgt bald, und das gewiß, und das gewiß" (aus: moralische kantaten, kantate "die zeit" von georg philipp telemann) -

dabei muß der tod ja nicht drohen oder auf auf jemanden "lauern", seine zeit und damit die zeit der entscheidung des menschen in seinem handeln kommt unweigerlich. diese verbindung von ende und anfang erklingt mit jedem musikalischem thema der oper; die beziehung tristan/isolde ist nach menschlich-kulturellen maßstäben "zum tode" verurteilt. nur im tod kann sich die zweisamkeit isoldes und tristans aufheben. die beiden sagen es ja wenig später selbst: isolde: "so stürben wir, um ungetrennt -" tristan: "ewig einig - " und später reden sie noch "ohn erwachen". hier liegt nicht mehr eine dimension menschlicher liebe vor, sondern es kann dieses nur über-menschlich, oder zeitlich nach dem leben des menschen anzunehmen sein. daher sind die scheinbar menschlichen gestalten tristan/isolde in menschlicher zeitlichkeit, aber sie haben keinen anteil an dieser, sie wirken nicht in dieser, sie leben nur füreinander.

ein freund von mir sagte mal das sei auch eine art von egoismus.

ich weiß dieses nicht zubeurteilen, doch behagen mir der heißsporn tristan und die liebesblinde isolde so nun gar nicht, eher dann doch der heroische lohengrin. aber dies zum schluß als eigene meinung.
mit besten abendlichen grüßen ihr oliver görs

p.s. später vieleicht etwas mehr zur "mimetischen Aneignung"

12 May 2011 at 21:13  

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